Bei den meisten Vergleichen zwischen verschiedenen Kameramodellen geht es in erster Linie um die technischen Spezifikationen, das Bildrauschen, die Leistung des Autofokus und ähnliche Dinge. Ein Aspekt, der meiner Ansicht nach oft zu kurz kommt, ist die Bedienung der Kamera. Dabei kann die Freude an der Fotografie durch schlechte Bedienbarkeit schnell verloren gehen. Da ich mich für mein Buch zur Sony α7 IV mehrere Monate intensiv mit dieser Kamera befasst habe, möchte ich hier meine Erfahrungen im Vergleich zur Nikon Z 6II schildern.
Gemeinsamkeiten
Äußerlich sind sich die beiden Kameras auf den ersten Blick recht ähnlich. Sie lassen sich beide mit einem um den Auslöser angeordneten Ringschalter einschalten und haben auf der Rückseite einen Joystick, eine AF-ON-Taste und eine Taste für das Fn- bzw. i-Menü, in dem sich jeweils 12 konfigurierbare Funktionen befinden. Beim Vierwegeschalter unterscheiden sich die Kameras aber bereits, denn bei der Sony sind diese Tasten mit Funktionen belegt, während er bei Nikon ausschließlich für die Navigation verwendet wird. Die Nikon hat jedoch ohne den Vierwegeschalter mit insgesamt 17 Tasten trotzdem eine Taste mehr als die Sony. Das liegt unter anderem am Umschalter zwischen Monitor und Sucher an der linken Seite des Sucherkastens und an den beiden Funktionstasten an der Vorderseite. Dafür hat die Nikon Z 6II nur zwei Einstellräder, während die Sony inklusive des Steuerrades auf der Rückseite über insgesamt vier Einstellräder verfügt.
Das Bedienkonzept unterscheidet sich bei Nikon von den meisten anderen Marken darin, dass hier eine Taste gedrückt gehalten wird, während man mit einem Rad die Einstellung vornimmt. Dadurch lassen sich viele Einstellungen sehr schnell vornehmen. Bei Bedarf kann aber in der Individualfunktion f6 Tastenverhalten eingestellt werden, dass die Einstellung einer Funktion nach einem kurzem Tastendruck aktiv bleibt.
Vorteile der Sony α7 IV
Grundsätzlich gefällt mir das Bedienkonzept von Nikon sehr gut, es gibt aber auch einiges, was Sony bei der α7 IV besser gelöst hat. So gibt es insgesamt deutlich mehr Möglichkeiten für die Konfiguration der Kamera. Bei Nikon gibt es zum Beispiel für eine Taste bis zu 41 Funktionen zur Auswahl, bei Sony kann man hingegen aus 122 Optionen wählen. So ist es auch möglich, Einstellungen wie den Augenautofokus oder ein bestimmtes Fokusfeld direkt per Tastendruck umzuschalten. Mit der Tastenbelegung Abruf Ben. Halten lassen sich sogar eine ganze Reihe Einstellungen gleichzeitig mit einem Tastendruck ändern. Bei der Nikon Z 6II lässt sich nur die Belichtungsmessung per Tastendruck umschalten, bei den Autofokuseinstellungen muss man immer zusätzlich an einem Einstellrad drehen. Das ist zwar nur eine Kleinigkeit, bei der Tier- oder Sportfotografie kann das aber schon einen deutlichen Unterschied ergeben. Ein weiterer Vorteil der Sony ist die Möglichkeit, die Tasten bei der Wiedergabe separat zu belegen.
Auch die Fokusskala im Sucher beim manuellen Fokussieren ist bei Sony besser, da hier die eingestellte Entfernung numerisch angezeigt wird. Bei Nikon gibt es leider nur die Symbole für Nah und Unendlich an den Enden der Skala, so dass man die Entfernungseinstellung nur sehr grob einschätzen kann.
Was mir bei Nikon besser gefällt
Andererseits gibt es ein paar Dinge, die bei der Sony α7 IV wenig benutzerfreundlich sind. Wichtigstes Beispiel dafür ist das umständliche Ein- und Ausschalten der ISO-Automatik, denn dazu muss man durch die gesamte ISO-Skala ganz nach oben scrollen. Wenn man von einem hohen ISO-Wert aus, auf ISO AUTO umstellen möchte, ist man daher einige Sekunden damit beschäftigt. Bei Nikon ist das ein kurzer Dreh am vorderen Einstellrad, während man die ISO-Taste gedrückt hält.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der manuelle Fokus. Bei Nikon kann in der Standardeinstellung jederzeit über den Fokusring fokussiert werden, egal ob die Kamera auf AF-S oder AF-C eingestellt ist. Das ist sehr praktisch für die manuelle Vorfokussierung oder um nach dem Autofokus kleine Korrekturen vorzunehmen. Bei Sony ist der Fokusring des Objektivs hingegen nur in Funktion, wenn auf manuellen Fokus umgestellt wurde. Zwar gibt es auch noch den DMF-Modus, doch auch hier kann man erst manuell fokussieren, nachdem der AF aktiv war. Außerdem wird die Schärfe in diesem Modus nicht nachgeführt.
Bei der Gesichts- und Augenerkennung im gesamten Bildfeld hat Nikon ebenfalls eine wesentlich bessere Lösung gefunden. Werden mehrere Gesichter erkannt, lässt sich mit dem Joystick das gewünschte Gesicht auswählen. Genauso kann man zwischen dem rechten und linken Auge wechseln. Bei Sony muss man hingegen eine Taste für die Auswahl des rechten oder des linken Auges programmieren. Für die Auswahl bestimmter Gesichter kann man Gesichter registrieren, die bevorzugt fokussiert werden sollen. Möchte man allerdings abwechselnd zwei verschiedene Personen fokussieren – wie etwa Braut und Bräutigam bei einer Hochzeit – muss man im Menü über die Reihenfolge die Priorität ändern. Praxistauglich ist das nicht.
Und schließlich gefällt mir das Menü bei Nikon deutlich besser. Zwar hat Sony das Menü bei der α7 IV gegenüber der α7 III neu gestaltet und es ist jetzt endlich auch per Touch zu bedienen. Geblieben sind jedoch die teils übertriebenen Abkürzungen, die die Suche nach bestimmten Funktionen unnötig schwer machen. Das bekommen praktisch alle anderen Hersteller besser hin.
Fazit
Manchmal schaut man etwas neidisch zu bestimmten Funktionen von anderen Kameras, die man bei der eigenen Kamera vermisst. Dabei übersieht man jedoch all zu leicht, dass andere Kameras nicht unbedingt das bieten, was man aus Gewohnheit für selbstverständlich hält. Daher ist es grundsätzlich ratsam, ein unbekanntes Kamerasystem vor dem Kauf in der Praxis selbst auszuprobieren. So kann man schnell feststellen, ob die Bedienbarkeit den eigenen Vorstellungen entspricht. Im Vergleich zu Sony kann ich mit den kleinen Einschränkungen der Nikon Z6 II gut leben, denn die Bedienungsmängel der Sony α7 IV würden mich bei der täglichen Fotografie viel stärker beeinträchtigen.